Stöcken – Wer sich der Evolution verschließt, der schließt über kurz oder lang die Pforten. Davon gibt es hinlänglich Negativbeispiele. Der Männerturnverein Stöcken aber, wie er mit vollem Namen heißt, gehört nicht zu dieser aussterbenden Art. Weil er sich eben neu erfunden hat im Angesicht des gesellschaftlichen Fortschritts. Genau dieser Zeit-Geist bildete am Freitagabend beim Auftakt des Jubiläums-Wochenendes zum 100-jährigen Vereinsbestehen den Leitfaden bei den Gratulanten.
„Ihr müsstet Multi-Trend-Verein heißen!“
Dr. Sören Hoffmann vom KSB Gifhorn beim Kommersabend
So bescheinigte Wittingens Stadtbürgermeister Andreas Ritter dem 350 Mitglieder starken Dorfverein „eine gute Zukunftsperspektive“. Weil er sich Trends nicht verschließe, wie die Sparten Bogenschießen, Skateboarding oder Pickleball zeigen. Jahrzehntelang wären Turnen und Handball „die tragen den Säulen“ gewesen. Doch der MTV öffnete sich in immer weitere Richtungen. „Dieser Wandel zeigt, dass der Verein nicht nur die Tradition bewahrt, sondern neue Wege geht“, verdeutlichte Ritter und äußerte „große Hochachtung für die Leistung, die hier erbracht wird“.
Dr. Sören Hoffmann als Vertreter des Kreissportbundes Gifhorn ging sogar so weit in seiner Laudatio, dem Jubilar eine Namensänderung nahezulegen. „Ihr müsstet Multi-Trend-Verein heißen!“ Dieselben Impulse, denen die Gründerväter 1925 nachgingen, würde auch den heutigen Vorstand immer wieder antreiben. Dass ein Klub zu einem so besonderen Datum nicht nur einen Kommersabend, sondern das ganze Jahr über eine ganze Serie an Veranstaltungen auf die Beine stellen würde, sei „bemerkenswert“, pointierte Hoffmann. „Das gibt‘s nur im Nordkreis, das habe ich im Südkreis noch nicht gesehen.“ Garniert wurde das mit der Übergabe der Heinrich-Hünecke-Medaille vom Landessportbund Niedersachsen. Viele Menschen hätten über 100 Jahre hinweg „mit Herzblut daran gearbeitet“, dass die Stöckener noch immer diesen Mittelpunkt des Dorflebens genießen können, ergänzte die SPD-Landtagsabgeordnete Kirsikka Lansmann. On point betitelte dann auch Christian Hawellek, Vorsitzender des Kreisschützenverbandes Isenhagen-Wittingen, den MTV als „wirklichen Leuchtturm hier im Nordkreis“.
Die Welt habe sich „wahnsinnig verändert“, hatte die MTV-Chefin Anke Forjahn einleitend erklärt. Und mit ihr diese kleine, aber feine sportliche Heimat am nördlichsten Zipfel des Landkreises Gifhorn. Lustige Anekdote am Rande: Schon das 40-jährige Bestehen wurde seinerzeit in Gannerwinkel gefeiert. Pro Paar wurden fünf DM aufgerufen. Und: „Schnaps aus Flaschen wird viermal rumgereicht“, zitierte Forjahn schmunzelnd aus den alten Unterlagen. Die anwesenden Gästen konnte die eine oder andere charmante Begebenheit auch der Festschrift zum 75. Jubiläum entnehmen, die in ausreichender Zahl auslag. Ein Meilenstein für den MTV war der Hallenbau (1987 bis 1989). Auch das Schießhaus wurde 1996/97 noch einmal von Grund auf erneuert. Sportarten kamen und gingen. Wie Badminton. Oder Karate. Geblieben ist der Handball, der schließlich in der Fusion mit dem VfL Wittingen zur SG VfL Wittingen/Stöcken mündete. Mittlerweile verfügt der Stöckener Sportplatz, neben einer Skateboard-Rampe, auch zwei schicke Beachhandball-Felder, auf denen auch schon Qualifikations-Turniere zu Deutschen Meisterschaften absolviert wurden.
Apropos! Für den dritten Platz mit den Monsters of Beach bei der DM, aber auch dem sensationellen Gewinn des EM-Titels mit der deutschen U17-Nationalmannschaft wurde Beachhandball-Ausnahmetalent Jost Könemann von seinem Stammverein gewürdigt und erhielt – genauso wie Anika Kröger und Katrin Alpers – die Ehrennadel in Bronze vom Handball-Verband Niedersachsen-Bremen. Ein Beispiel für den modernen Erfolg des MTV. Aber da waren auch noch die Urgesteine, die am Freitagabend im Mittelpunkt standen. Marianne Thoms, seit 80 Jahre eine treue Seele des Vereins, erhielt stehende Ovationen. Auch Inge Gade, seit 63 Jahren unermüdlich im Einsatz für ihren MTV, und Herbert Leusmann (nimmt seit 25 Jahren ununterbrochen an Schießsport-Meisterschaften teil) wurden ausgezeichnet.
Selbstverständlich ging es aber nicht nur festlich, sondern auch sportlich. Der Samstag stand beim 100-Jährigen ganz im Zeichen des Mitmach-Tages auf dem Areal. Etwas schade für den MTV: Allerlei Parallel-Events wie den Doppel-Whopper im Nachbardorf Lüben, das HVNB-Beachhandball-Turnier in Cuxhaven oder private Feiern drückten auf die Besucher-Zahlen. Doch davon ließen sich alle großen und kleinen Gäste nicht die gute Laune verderben. Den runden Abschluss bildete am Sonntagmorgen das Bürgerfrühstück.
Quellenangabe: Isenhagener Kreisblatt vom 25.08.2025, Seite 19
